„Es gibt mildere Mittel als das Rx-Versandverbot“

DAZ.online hat mit Dr. Klaus Michels,Chef des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, über die aktuelle politische Lagegesprochen. Michels erklärt, warum er das Apothekenstärkungsgesetz kritisiert,warum es „mildere“ Mittel als das Rx-Versandverbot gibt, warum man der Petition zum RxVV aber trotzdem zustimmen sollte und warum ihn das Auftreten von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt wundert.
DerApothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) ist einer der größten ApothekerverbändeDeutschlands. In der Region gibt es rund 2000 öffentliche Haupt- undFilial-Apotheken. Der AVWL vertritt die Interessen von knapp 1500 Mitgliedernmit etwa 1900 Apotheken (Organisationsgrad ca. 95 Prozent) und istArbeitgeberverband der Apothekeninhaber. Der Vorsitzende Dr. Klaus Michelssieht die Reformpläne der Bundesregierung für den Apothekenmarkt schon seiteiniger Zeit kritisch. Der AVWL hatte sich beispielsweise kürzlich mit anderendrei Apotheker-Organisationen in Nordrhein-Westfalen zusammengetan und einjuristisches Gutachten erarbeiten lassen, indem es um die Bedeutung der Gleichpreisigkeitfür die gesamte Arzneimittelversorgung geht. Auch die ABDA betrachten Michelsund sein Verband derzeit kritisch: Zum Beispiel hatte Michels kürzlicheinen langen Brief an ABDA-Präsident Friedemann Schmidt geschrieben, in dem derVerbandschef forderte, dass die ABDA auf die Beibehaltung des Rx-Boni-Verbotsin § 78 des Arzneimittelgesetzes beharren soll.
DAZ.online: Herr Michels, dasBundeskabinett hat den Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung derVor-Ort-Apotheken (VOASG) beschlossen. Sie und die drei anderenNRW-Apothekerorganisationen haben das Vorhaben immer sehr kritisch gesehen.Wieso?
Dr. Klaus Michels: Der Entwurf weist einige positive,weil innovative Ansätze auf. So etwa das Makelverbot von E-Rezepten sowie die Etablierungpharmazeutischer Dienstleistungen. Ungeachtet dessen hat der Gesundheitsministervon Beginn an unmissverständlich deutlich gemacht, dass die Inhalte des Kabinettsentwurfsnur als Paket verhandelbar seien. Und zu diesem gehört auch die Aufgabe der uneingeschränktenPreisbindung, die meines Erachtens große Gefahren mit sich bringt undgrundlegende Fragestellungen berührt. Der Gesetzesentwurf hat darauf keineAntworten zu bieten.
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DAZ.online: ABDA-Präsident FriedemannSchmidt hat kürzlich einen Brief an die Apothekerschaft geschrieben und darin denKabinettsentwurf als in seiner Gesamtheit und bei realistischer Bewertung alsinhaltlich gut bezeichnet. Diese Auffassung teilen Sie also eher nicht?
Dr. Michels: Nein, da bin ich in der Tatdezidiert anderer Auffassung. Die Gleichpreisigkeit sichert eine gerechte, solidarischeund durch die medizinische Notwendigkeit bestimmte Arzneimittelversorgung. Sieist als solches Teil unseres zu recht allseits anerkannten Gesundheitssystems.Neben zum Beispiel dem Fremd- und Mehrbesitzverbot gehört die Gleichpreisigkeit zumFundament, auf dem die deutsche Vor-Ort-Apotheke ruht. Es sprechen viele guteGründe dafür, sie als „nicht verhandelbar“ zu betrachten.
DAZ.online: Sie dürfen nichtvergessen, dass das Gesetz Honorarverbesserungen sowie das Makelverbot fürE-Rezepte mit sich bringt. Das mindert ihre Sorgen nicht?
Dr. Michels: Strukturen zerschlagen, umkurzfristige Vorteile zu erlangen? Nein! Die Politik mag die Gleichpreisigkeiteinseitig zum Verhandlungsgegenstand gemacht haben. Nur: Müssen wir uns demergeben? Weil wir sonst fürchten müssen, die Politik oder einzelne ihrerVertreter könnten nicht mehr mit uns reden? Ich halte es da ganz mit dem neuenBÄK-Präsidenten Dr. Klaus Reinhardt, der in seiner Antrittsrede bezogen auf denGesundheitsminister in etwa geäußert hat, dass der Minister ja gerne Debattenführe, weswegen er es auch aushalten müsse, dass man ihn für bestimmte Dingekritisiere. Und selbst die Apothekerschaft hat sich anfangs ganz in diesemSinne selbstbewusst gegenüber der Politik verhalten. Allen voran forderte damalsPräsident Schmidt als Reaktion auf den EuGH ein Rx-Versandverbot. Und zur Unterstützungder Forderung holte man sogar drei Gutachten namhafter Rechtswissenschaftlerein. Beinahe wäre daraus sogar was geworden.
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